Chancenbericht

Organisatorisch haben wir alle Voraussetzungen geschaffen, um eine transparente Darstellung und Handhabung der Risikosituation zu gewährleisten, Schadenspotenziale zu begrenzen und frühzeitig zu handeln. Zur Identifizierung und Steuerung von Chancen hat die ProSiebenSat.1 Group ebenfalls effektive Prozesse implementiert.

Das Management von Chancen ist in der ProSiebenSat.1 Group zentral organisiert und wird von der Abteilung „Strategy & Operations“ gesteuert. Die Abteilung steht in engem Kontakt mit den einzelnen operativen Einheiten und deren Geschäftsführern und erhält so einen detaillierten Einblick in die Geschäftssituation. Zudem dienen externe Studien und der Erfahrungsaustausch mit externen Experten als wichtige Quellen, um die Markt- und Wettbewerbslage zu analysieren und Wachstumspotenziale für die ProSiebenSat.1 Group zu identifizieren.

Die definierten Chancen werden im Strategieplan zusammengefasst und fließen im Rahmen der jährlichen Strategieklausur in den Entscheidungsprozess ein. Dabei werden die relevanten Chancen priorisiert, konkrete Ziele abgeleitet sowie Maßnahmen und Ressourcen zur operativen Zielerreichung festgelegt.

Das Chancenmanagement ist Bestandteil des unternehmensinternen Steuerungssystems. Es ist an die Budgeterstellung gekoppelt und wird sowohl in die Zwölfmonats- als auch in die Mehrjahresplanung einbezogen. Wachstumschancen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit wir als sehr hoch einstufen, haben wir bereits in unsere Ziele für 2015 bzw. in unsere mittelfristige Planung für 2018 aufgenommen. Weitere Informationen hierzu finden sich im Unternehmensausblick. Daneben existieren Chancen, die bislang nicht budgetiert sind und folglich zu einer positiven Prognose- bzw. Zielabweichung führen können. Über diese zusätzlichen Wachstumspotenziale berichten wir nachfolgend. Sie können sich insbesondere aus einer Veränderung von Rahmenbedingungen bzw. unserer Marktanteile ergeben. Zudem können strategische Entscheidungen zusätzliches Wachstum fördern, das bislang nicht bzw. nicht vollumfänglich budgetiert ist.

Überblick Chancen und Potenziale

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Budgetierte Wachstumspotenziale

 

Zusätzliche Chancen

Entwicklung der Rahmenbedingungen

 

>

 

Bewegtbild ist Treiber der wachsenden Online-Nutzung und Grundlage für die hohe Popularität von TV

 

>

 

Rahmenbedingungen oder Marktanteile verändern sich schneller oder günstiger als erwartet

 

 

>

 

TV ergänzt sich synergetisch mit Online-Medien, wachsende Verbreitung von Paid-Content-Modellen wie Video-on-Demand (VoD)

 

 

 

 

 

 

>

 

HD-Nutzung steigt dynamisch

 

 

 

 

Unternehmensstrategische Entscheidungen

 

>

 

Wertschöpfung durch Diversifizierung und insbesondere durch Digitalisierung und Ausbau des E-Commerce-Geschäfts

 

>

 

Arrondierende Akquisitionen alleine oder mit strategischen Partnern

 

 

>

 

Erschließung neuer Märkte durch Portfoliomaßnahmen und Internationalisierung des Media-for-Revenue-Share- bzw. Media-for-Equity-(M4R/M4E)-Portfolios

 

>

 

Erweiterung der Senderfamilie

Entwicklung der Rahmenbedingungen

Makroökonomische Faktoren haben einen wesentlichen Einfluss auf das Investitionsverhalten der Werbewirtschaft: Niedrige Arbeitslosenzahlen und steigende Realeinkommen sorgen für positive Impulse beim privaten Konsum. Diese Faktoren können wiederum die Investitionsbereitschaft der Werbewirtschaft unterstützen, das Preisniveau stimulieren und somit die Umsatzentwicklung unseres Konzerns beschleunigen. Unsere Budgetplanungen für 2015 basieren auf einem Wachstum des deutschen TV-Werbemarkts im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Da unsere Zielerreichung eng mit der Entwicklung des TV-Werbemarkts korreliert, könnte eine positive Abweichung von dieser wichtigen Planungsprämisse unser Wachstum gegebenenfalls signifikant beschleunigen.

Zusätzlich zu diesen makroökonomischen Daten könnten auch Zuschauerquoten intern budgetierte Werte übersteigen und mittelfristig das Preisniveau für Werbeflächen steigern. Hinsichtlich der Reichweite unseres deutschen Senderportfolios rechnen wir für das Jahr 2015 insgesamt mindestens mit einer stabilen Entwicklung des Zuschauermarktanteils.

Werbemarktanteile TV vs. Print 2014

Werbemarktanteile TV vs. Print 2014 (Balkendiagramm)Werbemarktanteile TV vs. Print 2014 (Balkendiagramm)

Neben der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung fördert die strukturelle Verschiebung in Richtung Bewegtbild-Angeboten das Wachstum des deutschen TV-Werbemarkts. Hauptgrund für die weiterhin starke Position von TV ist, dass Werbekunden innerhalb kurzer Zeit hohe Reichweiten aufbauen und den Bekanntheitsgrad ihrer Marken schnell steigern können. Print verliert im Zuge der Digitalisierung hingegen sukzessive an Bedeutung. Dieser Prozess dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen und die Relevanz von TV als Werbemedium weiter stärken. In den USA (38,1 %) sowie Spanien (41,4 %) oder Frankreich (31,9 %) entfällt bereits heute der Großteil der Werbeinvestition auf TV, während Print kontinuierlich Marktanteile verliert. In Deutschland zeichnet sich eine vergleichbare Strukturveränderung ab.

Diese Wachstumschancen nutzen wir aktiv, um zusätzliche Werbebudgets zu gewinnen. So führt der Konzern umfassende Marktforschungsstudien durch und analysiert insbesondere, welche Programmumfelder für Print-Werbekunden im Fernsehmarkt bislang unbesetzt sind. Auf dieser Basis hat der Konzern sein Portfolio in den vergangenen Jahren um zielgruppenspezifische Sender wie sixx, SAT.1 Gold oder ProSieben MAXX erweitert und zahlreiche Neukunden gewonnen (2014: 105), die erstmals im Fernsehen geworben haben. Diese Mehrsenderstrategie wird ProSiebenSat.1 auch künftig fortführen. Dazu wird der Konzern sein bestehendes Senderportfolio unter Umständen komplementär weiter ausbauen, um Printkunden für TV-Werbung zu gewinnen. Modelle für regional individualisierte Werbung sind eine weitere Möglichkeit, neue Werbekunden und insbesondere Firmen zu akquirieren, die bislang vor allem auf Printmedien gesetzt haben. ProSiebenSat.1 schätzt, dass regionale Werbeformen ein zusätzliches Marktpotenzial von insgesamt 50 Mio Euro bergen. Im Dezember 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ein positives Urteil getroffen. Auch „Hybrid Broadcast Broadband TV“ (HbbTV) eröffnet neue Wachstumsperspektiven, da Werbebotschaften individuell platziert und auf den Zuschauer zugeschnitten werden können. Zugleich bietet diese Technologie dem E-Commerce-Geschäft einen neuen Absatzkanal — der Zuschauer kann die beworbenen Produkte direkt via Fernbedienung bestellen. In Deutschland wurden laut GfK seit 2008 über 12 Mio HbbTV-fähige Fernsehgeräte verkauft. In großen Teilen Europas, Australiens und Neuseelands, dem Mittleren Osten und Teilen Asiens ist die Technologie mittlerweile Standard. In Südamerika und Afrika werden erste Länder 2015 in den Regelbetrieb gehen.

HbbTV verbindet die hohe Reichweite des Mediums TV mit den Vorteilen des Internets: Interaktivität und eine personalisierte Kundenansprache. Technische Innovationen wie Smart-TVs, die Internet und Fernsehen auf einem Gerät ermöglichen, eröffnen jedoch nicht nur der Werbewirtschaft neue Wege. Sie stärken gleichzeitig die Position von TV als meistgenutztem Medium in Deutschland. Fernsehen in HD-Qualität trägt ebenfalls dazu bei, dass TV in einem wettbewerbsintensiven Umfeld weiter an Attraktivität gewinnt. Die Distribution von HD-Programmen bietet für unser TV-Geschäft eine substanzielle Wachstumsmöglichkeit mit wiederkehrendem, konjunkturunabhängigem Erlöspotenzial. Das Marktforschungsinstitut TNS Infratest geht für die Jahre 2011 bis 2018 davon aus, dass sich die Anzahl der HD-Haushalte in Deutschland nahezu verdoppeln wird und auf mindestens 20 Mio steigt. Für das Jahr 2018 rechnen sie mit rund 9 Mio Nutzern, die für ein HD-Programmpaket bezahlen. Sollte die HD-Verbreitung schneller als derzeit angenommen wachsen, würde sich dies positiv auf unsere prognostizierte Zielerreichung auswirken: Bis 2018 wollen wir den Konzernumsatz um insgesamt eine Milliarde Euro steigern, davon sollen rund 150 Mio Euro aus der Distribution unserer Sender stammen.

Die Zukunftsfähigkeit von Fernsehen basiert auf der hohen Popularität von Bewegtbild. Zugleich ergänzen sich TV und Online sowohl bezüglich der Werbeintensität als auch hinsichtlich der Zuschauer- und User-Bedürfnisse komplementär. Dies hat zur Folge, dass TV und Internet zunehmend parallel genutzt werden. Neben der verstärkten Multi-Screen-Nutzung zeichnet sich die Zunahme von Paid-Content-Modellen ab. Bis 2018 soll etwa das für ProSiebenSat.1 relevante Pay-VoD-Marktsegment im Jahresdurchschnitt um 20 Prozent auf 450 Mio Euro wachsen. Begünstigt wird diese Entwicklung durch Breitband-Internetzugänge mit hoher Datenübertragung und die wachsende Beliebtheit mobiler Endgeräte. PricewaterhouseCoopers geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass 57 Prozent der deutschen Bevölkerung bis 2018 über ein Tablet verfügen. Bereits heute sind knapp 80 Prozent der Deutschen online. Da der ProSiebenSat.1-Konzern ebenso im TV- wie im Digitalbereich über starke Marktpositionen verfügt, würde sich eine Beschleunigung dieser Trends positiv auf unsere Umsatzentwicklung hinaus auswirken und könnte dazu führen, dass wir unsere Prognose übertreffen.

Neben den konjunkturellen, branchenspezifischen oder technologischen Rahmenbedingungen könnte sich auch das regulatorische Umfeld schneller bzw. günstiger als budgetiert verändern und unser Wachstum stimulieren. Zusätzliche Umsatzquellen könnten sich für private TV-Anbieter etwa aus einer Reduzierung von Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern ergeben. Durch eine Änderung im Rundfunkstaatsvertrag trat Anfang 2013 bereits ein Sponsoring-Verbot in Kraft, das an Werktagen nach 20.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit Ausnahme von großen Sportereignissen gilt. Die Rundfunkkommission der Länder verhandelt vor dem Hintergrund der Gebührenentwicklung derzeit über weitere Anpassungen. Daran anschließend soll auch über die Frage eines generellen Werbeverbots sowie weitere strukturelle Modifikationen entschieden werden. Das zusätzliche Marktvolumen aus einem Werbeverzicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte sich bis 2018 auf rund 300 Mio Euro belaufen.

Unternehmensstrategische Entscheidungen

Die Konvergenz der Medien und die zunehmende Relevanz des Internets haben nicht nur auf die Unterhaltungsindustrie, sondern auch auf den digitalen Handel starken Einfluss. So soll das E-Commerce-Geschäft in Deutschland in den nächsten zwei Jahren jährlich um zwölf Prozent zulegen. Dabei verschieben sich Marktanteile sukzessive aus dem klassischen Handel in den digitalen Bereich, sodass der deutsche E-Commerce-Markt bis 2017 ein Umsatzvolumen von rund 52 Mrd Euro umfassen könnte.

Um an diesem dynamischen Wachstum zu partizipieren, erweitert die ProSiebenSat.1 Group gezielt ihr Digitalgeschäft und hat verschiedene Branchen als strategisch relevant definiert: Nach dem Vorbild seines Reise-Portfolios fokussiert der Konzern nun insbesondere die Bereiche Home & Living, Fashion & Lifestyle und Beauty & Accessories. Jeder der definierten Bereiche birgt mittelfristig ein zweistelliges Margenniveau sowie ein potenzielles Umsatzvolumen von über 100 Mio Euro.

Während der Konzern in den vergangenen Jahren sein E-Commerce-Portfolio insbesondere durch kleinere Beteiligungen oder über Media-for-Equity- bzw. Media-for-Revenue-Share-Partizipationen erweitert hat, plant der Konzern künftig auch größere arrondierende Akquisitionen und die verstärkte Internationalisierung seines E-Commerce-Portfolios. Dabei begegnen wir potenziellen Transaktionsrisiken auch in Zukunft mit intensiven Due-Diligence-Prüfungen und verfolgen einen Verschuldungsgrad von 1,5 bis 2,5. Zentrale Investitionskriterien sind neben Rentabilitätsaussichten das Synergiepotenzial — also eine möglichst hohe Affinität der avisierten Beteiligung zu TV als Werbemedium oder eine möglichst hohe Vernetzbarkeit mit dem bestehenden Digitalportfolio.